Ach du dickes Ei! Passend zu Ostern graben wir die größte Bombe in Paderborns Geschichte aus

Mittwochabend, 28.03.2018, das Telefon klingelt: „Hey, Chef, du musst dir hier mal was ansehen, ich glaube wir haben ’ne Bombe gefunden.“ „Quatsch,“ erwidere ich,“ da hat einer ’nen alten 1000 Liter Boiler vergraben, das Ding ist viel zu groß für ’ne Bombe.“ Während wir darüber rätselten, ob es sich nun um einen Boiler handelte, oder nicht, kam unser Kunde mit einem Foto einer Bombe aus dem Internet nach draußen. „Verdammt, es ist tatsächlich kein Boiler.“ Danach ging alles ganz schnell. Der Kampfmittelräumdienst rückte an und es stellte sich heraus, dass wir eine HC 4000 gefunden hatten.

„Quatsch, da hat nur einer
'nen 1000 Liter Boiler vergraben.“
- Christian Kruse

HC 4000 („Cookie“) – Der Wohnblockknacker

Es handelte sich um um eine britische Luftmine, die im zweiten Weltkrieg abgeworfen wurde. Solche schwereren Sprengbomben wurden nicht gezielt, sondern in Flächenbombardements gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt. Sie besitzen keine Splitterkörper oder ähnliches, sie entwickeln ihre zerstörerische Wirkung allein durch die bei der Sprengung entstehende Druckwelle. Die Detonation erfolgte in der Luft und die Druckwelle riss die Dächer von den Häusern, zerstörte Fenster und drückte Türen ein. Sie machte den Weg frei für die später abgeworfenen Brandbomben, die so noch tiefer in die Gebäude eindringen konnten und noch mehr Unheil und Schaden anrichten konnten.

Größte Bombe in der Geschichte Paderborns

Wir haben also keinen Boiler ausgegraben, sondern die größe Bombe, die jemals in Paderborn gefunden wurde. Der Brummer ist 2 Meter lang und über 70 Zentimeter dick und hat tatsächlich die Form eines Boilers. Die 1,8 Tonnen schwere Bombe enhält 1,5 Tonnen Sprengstoff, verdammt, das Ding besteht zu über 80 Prozent aus Sprengstoff! Die Sprengkraft würde bei einer Bodendetonation alles im Umkreis von 100 Metern zerstören und großen Schäden in bis zu 2 Kilometern Entfernung anrichten.

Die größte Evakuierungsaktion in der Stadtgeschichte steht bevor

Der Kampfmittelräumdienst hat die Fundstelle im Süden von Paderborn sofort weiträumig abgesperrt. Nun müssen dort über 26000 Menschen evakuiert werden. Betroffen sind neben den Wohngebieten, die Innenstadt, die Uni, 4 Krankenhäuser, 5 Altenheime und das Südring-Einkaufszentrum. Insgesamt wird alles im Umkreis von 1,5 Kilometern, also 3 Kilometern im Durchmesser, evakuiert. Aufgrund dieser Ausmaße kann die Entschärfung erst eine Woche später, am 8. April, erfolgen. Bis dahin wird die Bombe von einem Wachdienst bewacht.

Fotos wurden mit freundlicher Unterstützung von Radio Hochstift zur Verfügung gestellt. Hier zum Beitrag: Massive Evakuierung in Paderborn geplant

Die Evakuierung

Am Sonntag Morgen, dem 08.03.2018, stellte die Polizei mit 15 Straßensperren sicher, dass nur noch die Ausfahrt aus dem Sperrgebiet möglich war. Ab 10 Uhr durfte niemand mehr hinein und bis 12 Uhr sollte sich kein Mensch mehr im Sperrgebiet befinden. Über 1200 Hilfskräfte der Polizei, Feuerwerk, Rettungsdienst und technischem Hilfswerk, aus Bielefeld, Bochum, Wuppertal, Münster und Mönchengladbach, waren im Einsatz. Die Krankenhäuser hatten in der Zwischenzeit die meisten Patienten bereits verlegt oder entlassen, dennoch waren mehrere Kovois von Krankenwagen nötig, um die verbliebenen 400 Patienten und Altenheimbewohner zu transportieren. Kostenlose Busse pendelten im 10 Minuten takt und brachten die Menschen zu den offiziellen Aufnahmestellen. Um 12 Uhr begann die Polizei mit Lautsprecherwagen den Gefahrenbereich abzufahren. Weiterhin überwachte sie das Sperrgebiet mit einem Hubschrauben und Drohnen.

Die Entschärfung

Nachdem die Evakuierung planmäßig abgeschlossen war, tauchten aber immer wieder Personen im Sperrgebiet auf. Insgesamt waren es 30, die tatsächlich nichts von der Evakuierung wussten. Sie mussten dann zeitaufwendig aus dem Sperrgebiet gebracht werden. Durch die mehrfachen Verzögerung begann die Entschärfung der Bombe etwa erst zwei Stunden später als geplant. Die Routine mit diesen Bombentyp stimmte die Profis vom Kampfmittelräumdienst aber zuversichtlich. Kurz nach 17 Uhr kam dann die Entwarnung, nach 90 Minuten war die Mega-Bombe erfolgreich entschärft worden. Die Paderborner können aber erst wieder zurück in Ihre Häuser und Wohnungen, wenn die Bombe abtransportiert wurde. Die Sperrungen wurden nach und nach aufgehoben, bis schließlich um 21 Uhr alle Anwohner zurückkehren konnten.

Was passiert nun mit der Bombe?

Nach der erfolgreichen Entschärfung wurde die Weltkriegsbombe bereits am Sonntag in einen Munitionszerlegebtrieb im Kreis Wesel gebracht. Normalerweise muss die Bombe geöffnet werden, damit der Sprengstoff herausgeholt werden kann. In diesem Fall ist das aber nicht nötig, da die Bodenplatte schon beim Aufprall abgerissen wurde. Der Sprengstoff kann nun direkt mit Wasser herausgespült werden. Diese Mischung wird aufgefangen, getrocknet und in kleinen Behältern kontrolliert verbrannt. In der hochmodernen Anlage gelangen dabei keinerlei Schadstoffe in die Umwelt.